"Respekt, Respekt – Überall auf der Welt scheint die Sonne – Eindrücke von einer Radtour durch die Pyrenäen“

 

Individuelle Eindrücke der Gusti Zollinger Pyrenäen Rundfahrt, 29.08. – 07.09.2008

 (Fahrt von Tegernfelden CH nach Couiza, Südfrankreich unterhalb Carcasonne mit Schweizer Reisebus und von dort mit dem Rad durch einen Teil der Pyrenäen). Aufgeschrieben von Gunnar Adolphi am Ende der Reise.

 

Reisebericht

Zu viert sind wir von Büchenbach (südl. Nürnberg, Triathlon Landkreis Roth, Mittelfranken)  nach Tegernfelden in die Schweiz gefahren, wo wir vom Hauptstandort des Gusti Zollinger Teams mit dem Bus über Nacht nach Couiza gefahren sind. Mittags angekommen haben wir uns umgezogen und eine kleine Tour zur Einstimmung in den Nachbarort unternommen (40 KM). Es war tierisch heiß (bis 38 Grad) und wir waren unsicher, ob wir das die Berge hoch aushalten würden. Aber es kam dann ganz anders; die Temperaturen und das Wetter waren fast immer gut.

Zurück gekommen von der Tour, konnten wir unsere Zimmer beziehen und den Pool genießen. Am Abend gab es dann eine kleine Begrüßung und anschließend das mehrgängige Abendessen im Hof der Burganlage. Ganz toll zur Einstimmung, grandioses Ambiente, exquisite Speisen und den passenden Wein dazu. Was wollten wir mehr? Nur ob sich das so halten läst?

Am nächsten Tag ging es dann an die erste nennenswerte Tour, ca. 100 KM mit fast 2000 HM auf die spanische Seite nach Puigcerda.
Gefahren wurde in vier Gruppen, die meistens im Gruppeto unterwegs waren und relativ ausgeglichen waren. Bis auf die 4. Gruppe war ich zwischendurch immer mal wieder bei der einen oder anderen Gruppe dabei.
Als ideales Zusammentreffen entwickelte sich unsere Nürnberger Truppe, die zusammen zur Tour angereist war. Heiner als gruppentauglicher Entertainer, der immer zu neuen Späßchen aufgelegt war und den Refrain der Tour zum Besten gab: „Überall auf der Welt scheint die Sonne. Prost“, Willi als Konterpart mit seinen Radsportweisheiten sowie Reinhard und mich als willige Unterstützer und Mitsänger. Nach den Touren waren wir die Ersten, die sich am Zielort zur Belohung ein Bier gönnten und das mit dem Refrain anstimmten „Überall auf der Welt … PROST“. Bei den ersten Touren war der Rest noch überrascht, aber später warteten sie insgeheim wohl schon darauf oder stimmten mit ein. An einem Berg hat mich der Refrain die ganze Steigung im Kopf begleitet und aus dem Tagebucheintrag eines anderen Teilnehmers zu entnehmen, ging es anderen wohl auch so.

 

Am Montag 1.09. ging es dann weiter nach Selles. Auf dem Weg dorthin hatten wir (in der 4. Gruppe) einen Todesfall. Ein Fahrer erlag an der ersten Steigung einem Herzinfarkt. Ein tragischer Fall, der besonders auch Gisela belastet hat, die sich als ausgebildete Kranken­schwester zuerst intensiv um die Reanimation gekümmert hat, bis Ärzte aus dem Team hinzukamen. Aber so tragisch wie das ist, man muss es irgendwie verdrängen und weiterfahren.

In der Hotelanlage gab es ein richtiges Schwimmbad – für die Triathleten unter uns die beste Entspannungsmöglichkeit. Gutes Büffet am Abend mit prima Fisch und gemischten Weinen. Nach dem Frühstück ging es dann weiter durch schöne Landschaften im Tal des Broto-Fluss hinauf zu den zwei Hotels, wo die Gruppe diesmal untergebracht war. Unser Hotel weiter oben war gut, das Abendessen und Frühstück wurde im Unteren eingenommen. M. E. das Schlechteste von Allen, in denen wir waren: den Rose-Wein habe ich als „grausam“ bezeichnet, den Roten als „nur schlecht“, die Nudeln verkocht, das Frühstück ungenügend in allen Belangen (kein Kaffee, keine Butter, kein Brot, usw. nur viele Spiegeleier). Das obere Hotel machte den Besseren und geräumigeren Eindruck. In der Nacht gab es auf dem Weg zum oberen Hotel noch eine „Broto-Eingabe“.

Nach dem Frühstück ging es dann am Ende des Ortes sofort Bergauf (13 KM mit z. T. 10%), zum ersten von drei Anstiegen an dem Tag. Hier überschritten wir dann auch wieder die Grenze nach Frankreich (El Portalet) und überquerten den Col d´ Aubisque auf unserem Weg nach Lourdes (Hotel Mercure, Innenstadt). Am Fusse des gewaltigen Massivs haben wir in der 3. Gruppe einen „Indianertanz“ aufgeführt, der uns die Schmerzen bis zum Gipfel nehmen soll („haut mit seinem Tomahakel, auf den Indianersackel - ouh doud das weh“) und alle sind auch gut angekommen.

Vor dem guten Büfett zum Abendessen waren wir am Wallfahrtsort und sind anschließend zur 21:00 Uhr Prozession aufgebrochen und sind überrascht worden von der gigantischen Heiligenverehrung und Kommerz, der sich da breit gemacht hat. 5 bis 6 Mio Pilger kommen jährlich in den Ort. Die Stimmung mit den vielen Menschen, Gesängen und Lichtern ist schon etwas Besonderes. Auch wenn wir dem Refrain des Liedes einer deutschen Besuchergruppe nur „Gott segne Wotan unseren Hund“ entnehmen konnten. Wenns´ hilft und wenn man´s mag …

 

Wir vier aus der Nürnberger Gruppe haben dann auch gemeinsam einen Wunsch für den „letzten Eckstein“ aus Boll hinterlassen für eine Familienplanung aus Willi´s Verwandschaft, die wir auf der Hinfahrt besucht haben und die uns wir die „verlorenen Söhne“ bei unserer kurzen Rast begrüßt haben. So etwas Goldiges und Freundliches kann man nicht beschreiben - man muss es selbst erlebt haben um das zu Fassen.

Ich für mich habe noch einen stillen weiteren Wunsch aufgegeben und auch eine Flasche Wasser mitgenommen. Vielleicht hilft´s ja, obwohl das eher so aussieht, als wenn das aus der ganz normale Wasserversorgung des Ortes stammt. Aber der Glauben daran ist wohl genauso wichtig wie das Produkt selbst.

So viele „Handbiker“ wie an dem Tag sehe ich wohl nie wieder in meinem ganzen Leben. Der eine oder andere hat wohl auch an ein Wunder geglaubt und ist aufgestanden. An der Anzahl der „TatüTatas“ gemessen, hat das wohl selten gut funktioniert. Sorry, bin halt auch ein kleiner Lästerer mit leicht sarkastischen Zügen; ist aber selten böse gemeint.

 

Zurück zur Tour: Weiter ging es zurück auf dem Fahrradweg zum nächsten Anstieg. Einer hat wohl das gute Nacht Gebet vergessen und ist vor einen Querpfosten gefahren. Zum Glück konnte das Rad später gerichtet werden und der Finger war auch nicht gebrochen. Wie man dann aber mit lädiertem und leicht geschienten Finger die Berger runter fährt oder schaltet – alle Achtung. Mir haben auch so nach einer Weile die Arme und Hände bei den langen Abfahrten etwas weh getan (ging aber insgesamt, da ich 10 Tage vorher mit speziellem Hand-/Arm-Training begonnen hatte und zur Vorbereitung die Wochen vorher ein paar Rad-Marathons gefahren und mich zum Schluss eher „mental“ darauf vorbereitet hatte: „wird schon weh tun, aber die Gedanken an die letzten Tage/Wochen der Vorbereitung und die Erlebnisse während der Fahrt werden das alles aufwiegen“ – und es ist dann auch so gekommen). 

 

Da am Do., 4.09. der längste Anstieg kam, bin ich bei den Pausen der Gruppe weitergefahren und konnte so bis fast HM 1600 „entkommen“ und wurde dann erst von den ersten der  1. Gruppe eingeholt. Die Besseren der 2. und 3. Gruppe kamen dann ab HM 1800. Das reichte dann sogar bis fast zum Gipfel, wo Willi und Reinhard dann zusammen mit mir „Schulter an Schulter“ auf dem „Col du Tourmalet“ (Dach der Pyrenäen 2114 m Passhöhe, 20 KM Anstieg zw. 7-10%) angekommen sind. Über den Col d´Aspin ging es zum letzten Berg; der Peyresourde wurde geschafft und zur Einstimmung gab es ein Bier am Etappenziel. Die 1. Gruppe war schon dort und wir waren überrascht, fast alle hatten ein Bier vor sich stehen. Wir hatten den Bier-Virus gesetzt und die andere mittlerweile angesteckt.

Am Do.-Abend waren wir wieder in einem schönen Hotel im Kurort Bagneres-de-Luchon. Das Abendessen traumhaft und anstatt des Roten haben wir einen schönen Weißwein geordert und waren damit wieder einmal bestens bedient. Man muss nur fragen.

 

Langsam geht es dem Ende der Reise zu und die ersten Ermüdungserscheinungen machen sich breit. Der erste Anstieg wird von allen in der Gruppe stoisch durchgetreten bis es am Ende kurz vor dem Gipfel zum ersten Rennen der Reise kommt und Gusti begeistert das Klacken der Schaltungen aufnimmt und Heiner der Zweite wird, allerdings nicht damit gerechnet hat, das unser 22. jährige „Meterologe  Julien mit einer affenartigen Geschwindigkeit als erster die Passhöhe überquert (Col de Buret). Danach kam ich als 2. „Mittelfranke“ noch auf das virtuelle „Stockerl“.

Wenn jemand dachte, man hätte das Schlimmste hinter sich, der kannte den Col d´Aspet nicht. Nach einer kurzen Gedenkminute am Denkmal eines hier gestürzten Radprofis (Fabio Cassardelli) ging es auf einer Splittpiste mit über 14%  mindestens den halben Berg hoch. Gigantisch was man leisten kann, wenn man muss. Eine falsche Gewichtsverlagerung oder Fehlreaktion und du stehst und kommst nicht mehr in Schwung. Zu weit vorne und das Hinterrad dreht durch, zu weit hinten und das Vorderrad hebt ab. Das ist die hohe Kunst der extremen Bergauf Fahrens! Aber alle in der Gruppe kannten das wohl und kamen ohne größere Probleme oben an – nur die Abstände waren etwas größer. Laut Willi muss man pro Kilo Körpergewicht 6 Watt zusätzlich leisten und je steiler es wird, potenziert sich der Nachteil des Gewichtes. Fahrt ihr doch einmal mit 2 Wassereimern zusätzlich am Rad die Berge hoch und ihr könnt euch vorstellen, was das für den einen oder anderen bedeutet hat da überall mit- oder hochzukommen (der Eine quält sich einmal im Jahr die Berge hoch und isst und trinkt den Rest des Jahres gut und die Anderen quälen sich das ganze Jahr beim Essen und Trinken und fahren eine Woche gut die Berge hoch).

Unterwegs zum letzten Berg, dem Col de la Core hatten wir unseren besten Mittagsrast in einem verträumten Restaurant mit al-dente Nudeln und einer hausgemachten Tomatensoße, die vor lauter Würsten kaum zu sehen war. Der Käse danach – ein Gedicht.

 

In dem schönen Etappenziel war die Gruppe wieder auf zwei Hotels aufgeteilt, wobei unseres am Berg wirklich gut war mit einem traumhaften Menü, abgerundet durch den guten Rotwein und die Gesellschaft von angenehmen Radsportfreunden sowie einer sehr freundlichen Bedienung.

 

In der Nacht regnete es dann und das Wetter wurde deutlich schlechter. Da es auch am Morgen regnete, sind die meisten mit dem Bus zum Ausgangsort nach Couiza gefahren. Ca. 12 Radler waren aber mit dem Rad auf direktem Weg dorthin gefahren (nicht wie vorgesehen über den Berg). In Couzia selbst war das Wetter gut und wir gingen erst einmal in den Ort und holten beim Bäcker ein paar Leckereien. Auf dem Rückweg fanden wir ein paar alte Ziegeln in einem Garten und wie es so sein sollte, konnte Reinhard, der davon schon die ganze Reise gesprochen hat, zwei davon mitnehmen (mit Einverständnis des Besitzers) und war ganz glücklich – die tolle Reise und dann noch die Ziegel – was kann es Schöneres geben? Als dann noch die Sonne herauskam, wollten Willi, Heiner und Reinhard unbedingt noch eine kleine gemütliche Ausfahrt machen. Ich hatte eigentlich mit dem Rad fahren abgeschlossen, bin dann aber doch als Mitglied der Nürnberger Musketiere und Teilhaber der Gruppendynamik mitgefahren. Wäre ich bloß im Schloss geblieben. Aus der gemütlichen Ausfahrt wurden immer mehr Höhenmeter und ein Berg kam nach dem Anderen (so kamen noch in 3 Std. fast 80 KM und 1200 HM zusammen - am Anfang weniger und zum Schluss immer mehr). Zwischenzeitlich war die Moral und die Beine ganz am Boden und nur der Gedanke, dass es Willi noch schlechter ging haben mich weiter treten lassen. Auf der letzten Abfahrt habe ich dann den ganzen Frust rausgelassen und bin richtig schnell abgefahren und dann immer weiter, bis es mir (und den anderen auch) reichte.

Mit einem superben Abendessen, diesmal im Rittersaal wegen des Regens, endete die Tour und später ging es mit dem Bus wieder Richtung Schweiz und nach einigen Stops kamen wir wieder in Tegernfelden an.

 

Die Fahrt ist zu Ende und es hat sich wieder einmal gelohnt, daran teilzunehmen. Beeindruckend waren viele schöne Momente und die lustige Gruppe um die „Nürnberger Musketiere“ (Krawallmachenbande, Gäng, u. a.) sowie die kameradschaftliche Stärke fast aller Teilnehmer, die eine gute Gemeinschaft während dieser Fahrt gebildet haben. Davon werden noch Einige in den nächsten Jahren träumen. Von Gusti Zollinger mit seinem Team, die alle Bestens nach ihren Möglichkeiten mitgeholfen haben, diese Reise zu einem Erlebnis werden zu lassen. Gusti als Chef (3. Gruppe), der alles unter Kontrolle hatte, Andrea der guten Fee im Hinter- und Vordergrund, Peter dem Guide (1. Gruppe) und Mechaniker, der selbst in der Mittagspause stoisch die kompliziertesten Reparaturen vornahm, Kurti der mit dem Kleinbus immer zur Stelle war, Andy im Reisebus sowie Cyrill (4. Gruppe) und Luci (2. Gruppe).

Das Vorjahr mit Freiburg Nizza war schon ein tolles Erlebnis und die Pyrenäen Rundfahrt hat nahtlos einen weiteren Meilenstein in unserem Leben mit bleibenden Eindrücken hinterlassen. Die Fahrten sind zwar nicht wirklich vergleichbar, aber jede hatte für sich etwas ganz besonderes mit ganz tollen Momenten. Neue Freunde und Bekanntschaften wurden geschlossen und lebenslange Eindrücke gewonnen.

 

Wer es bis hierher geschafft hat, liest bestimmt gerne weiter oder sucht Geschichten, die noch besser geschrieben sind. Die gibt es und ich empfehle "wärmstens" die Abenteuerreise von Denis und Tanja Katzer von vorne bis hinten zu lesen (damit man die Geschichte vollständig mitbekommt). http://www.denis-katzer.com/de/tagebuecher/transostexpedition/etappe3.htm .

 

Noch etwas zu den Hotels und Unterkünften: Diese waren eigentlich immer gut; dass Abendessen sehr gut und die Frühstücke ganz ordentlich, es gab immer genug und reichlich; bis auf Broto. Da hat es mir am wenigstens gefallen. Es gab bei den Teilnehmern aber auch andere Meinungen, je nachdem was jeder gegessen und getrunken hat. Mit Heiner als Organisator haben wir fast überall das Beste daraus gemacht. Man muss nur nett mit den Leuten reden und Vieles war machbar. Die Unterkunft in Lourdes (Mercure; Nähe Innenstadt) war sehr gut und zentral in der Stadt gelegen. Fast immer gab es einen Pool oder Schwimmbecken.

 

Sonstiges, was oben nicht hineingepasst hat und trotzdem erwähnt werden soll

-          Muss man rauchen, wenn man Asthma hat?

-          Knoblauchcreme und Oliven  

-          Picknick im Grünen mit belegten Baguettes

-          3 spurige Strasse den Berg hoch und wieder runter, Speed max. 82 KM/h

-          Muss man sich ´ungefragt´ von Allem distanzieren, was anderen Spaß macht und sonst nur gut in der Gruppe ankommt und viel Freude bereitet hat?

-          Das schweizer Zuckerstück als besonderer Lichtblick in den Bergen

-          Die gute Fee Andrea mit allen anderen Rad-Guides und Bus-Fahrern

-          Das Kartenspiel „Arschloch“

-          Man kann mit „Turnschuhen“ und MTB-Pedalen auch große Berge hoch fahren

 

(C) Büchenbach im September 2008